Das Paradies der Damen by Emile Zola

Das Paradies der Damen by Emile Zola

Autor:Emile Zola [Zola, Emile]
Format: mobi
Tags: Roman
ISBN: 359616155X
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-02-19T23:00:00+00:00


Achtes Kapitel

Inzwischen sprach man im ganzen Stadtviertel von der großen Straße, die unter dem Namen Rue du Dix-Décembre von der Börse bis zur neuen Oper eröffnet werden sollte. Die Enteignungsverhandlungen hatten stattgefunden, zwei Scharen von Arbeitern machten sich bereits von beiden Seiten an den Durchbruch. Die Rue de Choiseul und die Rue de la Michodière bangten um ihre dem Untergang geweihten Häuser.

Aber was das Stadtviertel noch mehr bewegte, waren die Arbeiten am »Paradies der Damen«. Man sprach von bedeutenden Vergrößerungen, von riesigen Geschäftsräumen, die nach allen drei Seiten bis an die Rue de la Michodière, die Rue Neuve- Saint-Augustin und die Rue Monsigny reichen sollten. Man erzählte, Mouret habe mit dem Baron Hartmann, dem Direktor der Immobilienbank, einen Vertrag geschlossen und werde den ganzen Häuserkomplex erhalten mit Ausnahme der Seite nach der künftigen Rue du Dix-Décembre, wo der Baron ein Konkurrenzunternehmen zum Grand-Hotel errichten wolle. Das »Paradies der Damen« kaufte überall Mietverträge auf, die Läden wurden geschlossen, die Mieter zogen aus. In den nunmehr leeren Häusern begann ein Heer von Arbeitern, umhüllt von einer Wolke von Staub und Kalk, die geplanten Umbauten. Nur das schmale Haus des alten Bourras blieb inmitten dieses allgemeinen Umsturzes unberührt, hartnäckig eingepfercht zwischen den hohen, von Arbeitern bevölkerten Mauern.

Als am folgenden Tag Denise mit Pépé zu Onkel Baudu ging, war die Straße eben von einer Reihe von Lastwagen versperrt, die vor dem alten Haus Duvillard Ziegel abluden. Auf der Schwelle seines Ladens stand der Onkel und betrachtete mit bekümmerter Miene dieses Schauspiel. In dem Maß, wie das »Paradies der Damen« sich ausbreitete, schien der »Vieil Elbeuf« zusammenzuschrumpfen. Das junge Mädchen fand die Auslagen noch finsterer, noch gedrückter unter dem niedrigen Zwischenstock mit den runden Gefängnisfensterchen. Der Regen hatte das grün angestrichene Firmenschild noch mehr verfärbt, und die ganze bleigraue Vorderseite wirkte trauriger und kümmerlicher denn je.

»Da seid ihr ja«, sagte Baudu. »Nehmt euch in acht, sie werden euch noch über den Haufen fahren!«

Als sie den Laden betraten, empfand Denise dieselbe Beklemmung im Herzen wie damals. Frau Baudu und Geneviève saßen still und stumm an der Kasse; niemand störte sie dort auf.

»Guten Abend, Tante«, sagte Denise. »Ich freue mich so, Sie wiederzusehen, und wenn ich Ihnen Kummer gemacht habe, bitte verzeihen Sie mir!«

Frau Baudu war gerührt und küßte das Mädchen.

»Mein armes Kind«, sagte sie, »wenn ich keinen anderen Kummer hätte, dann wäre ich recht vergnügt.«

»Guten Abend, Kusine«, fuhr Denise fort und gab Geneviève einen Kuß auf die Wangen.

Nun umarmten die beiden Frauen auch noch Pépé, und damit war die Versöhnung vollständig.

Baudu wandte sich jetzt nach dem dunklen Hintergrund des Ladens und sagte:

»Colomban, du kannst ruhig mit uns essen, es kommt doch niemand.«

Denise hatte den Angestellten gar nicht bemerkt. Frau Baudu erklärte ihr, den anderen Verkäufer und das Mädchen hätten sie entlassen müssen; die Geschäfte gingen so schlecht, daß Colomban allein genüge, und auch er verbringe noch ganze Stunden völlig untätig, gähnend vor Langeweile.

Während der Mahlzeit kam der Onkel natürlich auf die Leute von gegenüber zu sprechen. Anfangs zeigte er sich sehr duldsam.

»Mein Gott, du bist ja frei und darfst diesen großen Herren ruhig das Wort reden.



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